Von Yannick G. und Valentina L. Dieser Beitrag wurde im Rahmen des Seminars «Wessen Wissen? Wessen Kunst? Situiertheit, Materialität und Kritik» bei Dominique Grisard verfasst. Er ist Teil der Blogserie «Heute Nacht geträumt» und nimmt Bezug auf die Veranstaltung «Werde ich wiederkommen?».
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Rucksack und Jacke in die Garderobe, die Wasserflaschen auch, still sein, nichts berühren, nur schauen. Wir, die Verfasser*innen dieses Textes, sind vertraut mit den Regeln und Abläufen wie man sich in grösseren, institutionellen Museen zu verhalten und zurechtzufinden hat. Museumsbesuche sind ein grosser Teil der Erinnerung an unsere Kindheit. Museen an sich sind für uns keine Fremdorte, doch heisst dies noch lange nicht, dass wir uns in ihnen wohlfühlen.
Der Besuch einer grossen, bildungsbürgerlichen Institution wie dem Kunstmuseum Basel | Gegenwart, bedingt ein beträchtliches Set an Vorwissen. Dieses setzt sich unter anderem aus Verhaltensregeln, kontextuellem Wissen und der Vertrautheit mit den Räumlichkeiten zusammen. Mangelt es an Vorwissen, wird dies den Besucher*innen durch Zurechtweisen zu spüren gegeben. Infolgedessen fühlen sich diese schnell unwohl und nicht willkommen. Bereits auf architektonischer Ebene haben Kunstmuseen aufgrund ihres oft imposanten Baustils eine einschüchternde, ausladende Wirkung. Im Inneren des Museums setzt sich ihr disziplinierender Charakter durch sterile Gänge, weisse Wände und spärliche Einrichtung fort.
Der Erwerb des erwähnten Vorwissens gestaltet sich als exklusiver Prozess. Da es sich vorwiegend um ungeschriebene Regeln handelt, liegt es an den «Wissenden» – gemeint sind das Bildungsbürgertum und höhere Bildungs-/Kulturinstitutionen –, diese Regeln an «Unwissende» zu vermitteln. Die Weitergabe dieses Sets von Praxen, deren Kenntnis für den Zugang zu «renommierten» Kunst- und Kulturinstitutionen, unumgänglich ist, verlässt jedoch nur selten deren Umfeld und verunmöglicht somit einem erweiterten Publikum den Zugang. Dies stellt einen zentralen Prozess dar, der zum elitären, schwer zugänglichen und ausschliessenden Charakter von Kunstmuseen beiträgt. Weitere Hürden sind beispielsweise Eintrittspreise, Öffnungszeiten und ganz grundsätzlich das Vorhandensein von Freizeit, die zur Interaktion mit Kunst aufgewendet werden kann.
Laut der aktuell gültigen Museumsdefintion des Internationalen Museumsrats (ICOM) hat ein Museum einerseits einen Forschungs- und Bildungsauftrag, andererseits soll es Kulturgüter «beschaffen» und «bewahren». Kunstmuseen sind somit Teil einer längeren Tradition des Sammelns, des Präservierens und des Konservierens. Was aber als aufbewahrungswürdig erscheint, ist von kulturellen Normen geprägt, die wiederum rassistische, klassistische und sexistische Machtstrukturen reproduzieren. Solange institutionelle Kunstmuseen starre Orte des Konservierens bleiben und dabei die alten Normen bewahren und schützen, wird es einem Grossteil der Bevölkerung unmöglich sein, sich in ihnen wohlfühlen zu können und Zugang zu ihnen zu erhalten. Unserer Meinung nach muss sich daher grundlegend etwas an der kuratorischen Praxis, wichtiger aber an den vorherrschenden Machtstrukturen und Mechanismen ändern, damit Museen zu dynamischeren und inklusiveren Orten des Wandels werden können. Das hat auch der ICOM eingesehen und berät sich zurzeit über eine neue Definition (die in der Zwischenzeit auch angenommen wurde).

Auch wir, die Verfasser*innen dieses Textes, haben Ideen und schlagen deshalb in einem ersten Schritt vor, dass die Funktion und Stellung, die Museen im Alltag einnehmen, neu gedacht werden muss. Die anfangs erwähnte Abendveranstaltung «Werde ich wiederkommen?» im Kunstmuseum Basel | Gegenwart hat uns einige, mögliche Ansätze geliefert, wie das Museum künftig zugänglicher und alltagstauglicher werden kann: Öffnungszeiten rund um die Uhr, tiefere Eintrittspreise, einladende Infrastrukturen und einen partizipativen Prozess in der Planung und im Aufbau einer Ausstellung. Die Ausstellung «Heute Nacht geträumt» bietet ein neues Verständnis, wie mit Kunst interagiert werden kann. Beispielsweise ermöglicht Ruth Buchanan’s «Tongue/Platform» ein anderes Betrachten der Kunstwerke zusätzlich zur «unkonventionellen» Hängung der Exponate.
Nebst dem Betrachten, als die geläufigste Art, mit Kunst zu interagieren, wurde die Förderung der Wahrnehmung von Kunstwerken über weitere Sinne als erstrebenswert genannt, wodurch Besucher*innen in eine neue Beziehung zu den Exponaten treten können. Auch mehr Raum für Unvorhergesehenes wurde erwähnt: Veränderungen und Einwirkungen, die über die Zeit einer Ausstellung eintreffen können, seien willkommen oder gar erwünscht. Somit würde aus dem Museum ein weniger steriler Raum geschaffen, der Aufenthalt von Besucher*innen weniger diszipliniert, da die Bewahrung dieses Raumes und der darin ausgestellten Werke nicht im Vordergrund stünde.
In unserer Wunschvorstellung stellen Museen einen Bezugsort im öffentlichen Raum dar, der einfach und selbstverständlich in den Alltag integriert werden kann. Ein Ort, der keine Nutzungshürden stellt, ein Raum, der ausserhalb von zu Hause als Ruheort fungieren kann. Der Begriff von Ausstellung würde dadurch neu definiert. Das bisher dominante Verständnis würde erweitert; eine Ausstellung kann zum Entspannungsort, zum Chillout, zum Friendsmeet, zum Diskussionsraum werden. Museen werden somit insgesamt zu vertrauteren Orten, deren Funktion das reine Konsumieren von Kunst infrage stellen und weiterdenken: Sie werden zu Räumen, welche die Besucher*innen mitgestalten dürfen und auch sollen. Dadurch vervielfältigen sich sowohl das Vorwissen, dessen es bedarf, um an Kunst und Kultur teilzuhaben, als auch die Orte der Kunst, die wiederum Kunst einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich und greifbar machen.
Wir möchten uns wohl fühlen können! Wir möchten intensive Erfahrungen machen können, uns einlassen auf Raum, Ort und Werke, ohne uns dabei als Störfaktoren im Raum fühlen zu müssen. Wir wollen überrascht werden über neue-alte Inhalte und wie sie aufgearbeitet, rekontextualisiert und in neuem Gewand gezeigt werden. Wir wollen in denselben Raum treten können und uns fragen müssen, ob wir bereits hier waren, weil er sich immer wieder transformiert und sich in neuer Gestalt zeigt. Wir möchten das Museum mehr in unseren Alltag integrieren können als Ort des Verweilens, des Wohlseins, als Oase. Wir wünschen uns alltagstauglichere Museen!
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Bild: Ausstellungsansicht von «Tongue/Platform» von Ruth Buchanan aus, mit Werken von Wade Guyton, Günther Förg, Hannah Villiger und Wolfgang Tillmans. Photo ©Kunstmuseum Basel (Ausschnitt).