Von Lea Dora Illmer. Ein Rückblick auf die Vernissage von Fun Feminism im Kunstmuseum Basel | Gegenwart.
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Was erwarte ich von einer Ausstellung, die «Fun» und «Feminism» im Titel trägt? Ich bin mir unsicher, auch, weil das Bindewort fehlt. Geht es um spassigen Feminismus? Spass und Feminismus? Oder oder? Ich erwarte jedenfalls Vergnügen, sprich: zum Lachen gebracht zu werden. Ich setze mehr auf das erste Wort als auf das Zweite. Vielleicht, weil ich auf geteilten Humor hoffe. Mehr als auf eine Einigkeit darüber, was als feministisch gilt. Feminismus ist per se multiperspektivisch und vielstimmig. Humor ist eng verknüpft mit Rhetorik, folgt einem Regelwerk, hat erkennbare Elemente und Muster. Humor, so vermute ich, kann auch dann erkennbar sein, wenn ich ihn nicht teile. Und doch interessiert mich allem voran eine Frage: Finde ich es lustig oder nicht?
Meine Freundinnen und ich treffen uns bei der Papiermühle – der Museumsvorplatz ist bereits dicht gefüllt mit Menschen und deren Erwartungen. Einige lachen, aber nicht mehr als sonst, nicht lauter als sonst. Getränke gibt es erst nach den Reden. Josef Helfenstein hält die erste. «Fun» sei nicht etwa kitschig gedacht, betont er. Das «Experiment», also die zweite Ausstellung von Künstlerinnen in diesem Jahr, sei seines Erachtens gut gelungen. Er nennt die vier Künstlerinnen und Kuratorinnen beim Namen. Bloss denjenigen von Alice Wilke sagt er falsch.
Dann spricht eine der zwei Kuratorinnen, Maja Wismer. Von einem windigen Gespräch am Rheinufer vor etwa eineinhalb Jahren, als die Idee zu dieser Ausstellung entstand. Die Künstlerinnen Claudia Müller und Senam Okudzeto sind damals auf sie zugekommen. Ihr Anliegen: Die Sammlung des Kunstmuseums mit einer feministischen Linse betrachten und dem Klischee der humorlosen Feminist*in etwas entgegensetzen. Wismer spricht von der «Schnittmenge zwischen Fun und Feminism». Es gehe auch darum, aus gewissen feministischen Kunstwerken das «aktivistische Potenzial» herauszuholen. Aber ist das lustig?
Ich schwanke zwischen zwei Gefühlslagen: Einerseits spüre ich Trotz. Warum müssen wir als Feminist*innen jetzt auch noch beweisen, dass wir Humor haben? Ist das nicht bereits ein Eingeständnis an ein überholtes Klischee? Andererseits freue ich mich ehrlich darauf, eine Ausstellung mit lustvollem Fokus zu besuchen. Gehe ich ins Museum, dann meist wütender, empörender, kritischer Kunst wegen. Der «Fun-Faktor» steht dabei nicht an erster Stelle. Im Vergleich dazu ist Fun Feminism unbeschwerter. (So viel) Spass hatte ich in einer Kunstausstellung länger nicht mehr.
Wir starten im Erdgeschoss. Den ersten, herzlichen Lacher bekommt ein Kunstwerk von Jana Euler, dass die Perspektive der Margarine einnimmt («From the perspective of the margarine», 2021). Wir sehen den Stabmixer aus der Innensicht der Schüssel. Zuerst als Gemälde und dann, mit erhobenem Blick, in Form einer Installation von Mixgeräten an der Decke. Ich finde es lustig, weil es skurril ist und unerwartet.


Das zweite Mal lache ich über Brüste. Da wäre die eine, aus der Milch spritzt, und viele andere, eine ganze Kletterwand aus Brüsten. Ich fühle mich dabei etwas pubertär.


Der «Fun-Faktor» der meisten Kunstwerke erschliesst sich mir erst, nachdem ich die Texte gelesen habe. Bei wenigen verhält es sich genau andersherum: Ich schmunzle über die «Eisheiligen», deren Ästhetik offensichtlich an Dildos angelehnt ist, kann diese Referenz im Text dann aber nirgends finden. Kann es sein, dass nur ich das sehe? Nein, meine Freundinnen sehen es auch. Bei anderen bleibt uns das Lachen im Hals stecken – es ist lustig, weil es wahr ist. Etwa bei den Guerrilla-Girls. Immer noch, nach all diesen Jahren. Die grosse Zeitspanne, die Fun Feminism abdeckt, wirft Fragen auf: Lassen sich epochale Veränderungen in den Grundzügen des feministischen und aktivistischen Humors ausmachen? Oder konkret: Waren die Feminist*innen der 80er Jahre lustiger als heute? Frecher? Provokativer? Diese Fragen verlangen danach, dass ich wiederkomme.

Zurück auf dem Vorplatz frage ich bei einem Glas Weisswein ein paar Menschen, ob sie die Ausstellung zum Lachen brachte. «Warum?», entgegnet eine Person verwundert, «Feminismus soll doch gar nicht lustig sein». Für Humor brauche es einen Mindestabstand, eine gewisse Distanz, sagt Deutschlandfunk Kultur. Stimmt das? Und wenn ja: Können Feminist*innen die Ausstellung überhaupt vorbehaltlos lustig finden? Stehe ich zu nahe dran? Oder ist es vielmehr so, dass Humor und das Lachen über etwas ernstes uns Abstand geben, einen Raum zum Luft holen? Vielleicht hilft ebendieser Raum dabei, von der Bedrohlichkeit einer frauenfeindlichen (visuellen) Kultur Distanz einzunehmen, ohne deren Realität dabei zwangsläufig abzumildern.
Beim Lesen der Rezensionen lache ich dann erneut – diesmal empört – auf. Die NZZ beschreibt Fun Feminism mit den Worten: «wie Feminismus eine ganz unverkrampfte Sache sein kann», die Berner Zeitung fragt reisserisch «Kann denn Feminismus witzig sein?». Deutschlandfunk Kultur schliesst, dass die «weibliche Strategie» der Ausstellung «Selbstironie» sei. Die Kritiken nerven mich, der Trotz kehrt zurück. Wie weit ist Fun Feminism eine Strategie, etwas Unbequemes gefügig zu machen? «Unverkrampft»? Sicher ist: Wir müssen es uns leisten können, uns zu vergnügen. Und doch gestehe ich mir ein, dass das Klischee der humorlosen Feminist*in überaus aktuell zu sein scheint und die Ausstellung einen Nerv trifft. Plötzlich, ich weiss nicht genau warum, muss ich an Sibylle Berg denken und an den Titel ihres ersten Romans: «Ein paar Leute suchen das Glück und lachen sich tot.»
Nachtrag vom 10. November
Heute, nachdem ich die Ausstellung mehrmals besucht und mit zwei der Kuratorinnen gesprochen habe, würde ich diesen Text anders schreiben. Die Fragen, die sich mir stellen, haben sich verändert. Die Frage nach dem Humor, dem «Fun-Faktor», ist etwas in den Hintergrund gerückt, die Frage nach dem «Feminism» hingegen drängt sich mir auf und lässt mich verunsichert zurück. Wer ist in der Ausstellung vertreten, wer nicht? Warum lassen sich die Namen der Künstler*innen so schlecht lesen, wie eine Freundin beim Besuch der Ausstellung bemerkt? Die Werke stünden im Zentrum, erklärt eine der Kuratorinnen. Weg vom Geniekult des Einzelnen, hin zum Kollektiven? Das ist eine Sichtweise. Mir aber drängt sich die Frage auf: Wessen Kunst kann – aus der Perspektive eines renommierten Kunstmuseums – überhaupt als feministisch gelten?
Mir hilft ein Blick in die Vergangenheit: Es gab in der jüngeren feministischen Kunstgeschichte eine Handvoll Ausstellungen, die Feminismus und Humor explizit zum Thema machten. Eine davon trug den Titel Bad Girls und wurde 1994 im New Museum in New York gezeigt. Interessanterweise hielten weder der Titel noch ihr Feminismus-Verständnis die Kuratorin, Marcia Tucker, davon ab, Männer in die Ausstellung zu integrieren. «Why did you include men in the show?», lautete dann auch eine der häufigsten Fragen an Tucker. Sie antwortete:
Besides wanting to transgress the usual premise for an exhibition about feminist issues—that it contains only the work of women—we’re not interested in reinforcing a separate category of ‘women’s art,’ nor do we insist on women’s concerns being inherently different from those of men, no matter how fed up with some of the latter we might be.»
Das Kunstmuseum Gegenwart hat einen anderen Ansatz. Die Kuratorinnen starteten damit, die Sammlung des Kunstmuseums, die nach wie vor überaus cis-männlich, weiss, eurozentristisch geprägt ist, kritisch in den Blick zu nehmen. Ziel war es also in erster Linie, den unterrepräsentiereten Teil der Sammlung sichtbar zu machen. In einem zweiten Schritt kamen eine feministische Lesart und die Verwendung von Humor als kritisches Werkzeug als Kriterien hinzu. So ist es zumindest nachvollziehbar, dass der Fokus auf cis-Frauen liegt. Aber: Die hauseigene Sammlung reichte nicht weit. Ein Grossteil der ausgestellten Kunstwerke – vor allem jüngerer Künstler*innen – wurde hinzugeholt. Spätestens hier ergab sich die Möglichkeit, die Autor*innenschaft zu diversifizieren, was nach Angaben der Kuratorinnen auch ein Stück weit versucht wurde. Es gestaltete sich jedoch als schwierig.
Also nochmal: Woher kommt mein Unbehagen? Vielleicht ist es dasselbe Anliegen, das Martha Tucker einst hatte, nämlich «wanting to transgress the usual premise for an exhibition about feminist issues—that it contains only the work of women». Und die Empörung darüber, dass wir heute nicht weiter sind. Ich wünsche mir, dass eine feministische Ausstellung selbstverständlich queer ist. Und dass, wenn sie es nicht ist, eine Reflexion darüber stattfindet und diese zugänglich gemacht wird. Sind meine Wünsche in Anbetracht eines starren, konservativen Kunstbetriebs zu hoch gegriffen? Wahrscheinlich. Aber wie eine schlaue Freundin von mir zu sagen pflegt: «Es lebe die Maximalforderung!»
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Lea Dora Illmer studiert Geschlechterforschung, Philosophie und Literaturwissenschaften an der Universität Basel. Ihre Masterarbeit hat sie zur sogenannten Frauengesundheitsbewegung in der Schweiz geschrieben. Daneben schreibt sie für die an.schläge und andere Magazine und arbeitet als freie Lektorin. Sie ist Mitbegründerin des Vereins FKK (Feministische Kulturkritik). Demnächst wird Lea Dora Illmer im Rahmen des feministischen salons basel über die Erkenntnisse ihrer Master-Arbeit sprechen.
Bilder: Alle Bilder sind Ausstellungsansichten von Fun Feminism am Kunstmuseum Basel | Gegenwart. ©Privat. Die Ausstellung läuft noch bis am 19. März 2023.