Von Lea Dora Illmer
Was the building always intended as a space for art?,
fragt das soeben gelaunchte THIS IS NOT A GUIDEBOOK (2023, S. 45) des Hybrid Project Space.
Im Falle des wiedereröffneten Basel Social Club: Nein. Am Sonntagnachmittag entsperrt dieser seine Rohbetontüren für die art-Woche in der ehemaligen Senf- und Mayonnaisenfabrik von Thomy und Franck. Die Türsteher*innen wecken bei mir kurz die Angst, dass ich doch ein Ticket gebraucht hätte. Ich überwinde meine Unsicherheit und werde durchgelassen. Seit die Mayonnaisenfabrik von Nestlé an die Kult-Quartier Immobilien AG verkauft wurde, sollen neue Nutzungen ermöglicht werden. Als «Ort für Kultur, Kreislaufwirtschaft und das Quartier» bezeichnet sich das Franck Areal selbst. Und nun also als Exil für den Basel Social Club – ein Kollektiv aus Künstler*innen, Gallerist*innen und Kurator*innen, die «soziale Räume für Kunst» kreieren wollen.
Who owns it?
THIS IS NOT A GUIDEBOOK 2023, S. 41
bin ich versucht zu fragen. Und:
Where does the money come from?
THIS IS NOT A GUIDEBOOK 2023, S. 43
lasse es aber vorerst bleiben. Stattdessen betrete ich die monumentalen Hallen und verirre mich sogleich. Da sind Videoinstallationen neben Bars und Eisdielen, (mir) unbekannte und bekanntere Kunstwerke neben Hüpfburgen.
Do you get it*?
fragt THIS IS NOT A GUIDEBOOK (S. 8), gefolgt von einem nachgeschobenen
* the art
Ich wohl eher nicht. Zu spät wird mir von einem Schild berichtet, das darum bittet, nicht zu hüpfen.
Nach etwa einer Stunde finde ich endlich das Obergeschoss und darin den Flüsterraum, in dem auch der Book-Launch des besagten THIS IS NOT A GUIDEBOOK des neu gegründeten Kollektivs stattfindet. Gleich daneben: Eine Bar mit abertausend unterschiedlichen Kristallgläschen, die auf Wunsch mit blau-, rosa-, goldgefärbtem Champagner geflutet werden. 18 Franken das Glas.
Hybrid Project Space ist allem voran ein Recherche-Projekt. Das Kollektiv organisierte einen ersten offenen Recherche-Popup Ende März im k-haus. Im Mittelpunkt steht die Frage danach, was Kunst- und Kulturräume unzugänglich und nicht divers macht.
Wie setzen Kultureinrichtungen derzeit Zugänglichkeit, Vielfalt und Partizipation um?,
fragen und beantworten sie in einem fortlaufenden – voraussichtlich mindestens einjährigen – Prozess gemeinsam mit der Öffentlichkeit. Daraus ist nun innert kürzester Zeit das Booklet entstanden, welches jetzt hier zu Stapeln aufgetürmt und neon-orange unterlegt im Flüsterraum thront. Einen widersprüchlicheren und genau deswegen so passenden Ort für die kunstkritischen Fragen hätte es kaum geben können. Was wiederum die Frage aufwirft: Wie kommt das Kollektiv eigentlich hierher?[1]
Das Befragen und Kritisieren des Hybrid Project Space geht über die im Booklet ausformulierten Fragen hinaus. So lese ich ihre Kritik an der Kunst- und Kulturwelt und die Versuche, anders zu denken, wahrzunehmen, zu handeln und zu fühlen auch in ihrer Arbeitsweise, im Tun des Kollektivs. Ganz entgegen dem Status Quo sind ihnen die gemeinsam erarbeiteten Inhalte am wichtigsten – und nicht so sehr, welche Einzelpersonen daran beteiligt waren. Auf und im Booklet prangen (bis auf das kleingedruckte Impressum ganz hinten) keine Einzelnamen, nur der des Kollektivs. Und der des Künstlers Cem A. vom @freeze_magazine, der die kritischen Fragen mit seinen Memes ergänzt.
This booklet wants to make the invisible visible,
steht zu Beginn. Und dass ich es gebrauchen soll:
Use it, keep it and use it again, or give it to a friend.
Kein cleanes Guidebook für Bücherregal oder Coffee-Table, sondern ein Gebrauchsgegenstand. Die Gestaltung – grosszügige weisse Fläche – lädt mich dazu ein, hineinzuschreiben, zu zeichnen, zu skribbeln. Hätte ich bloss einen Stift dabei. So muss ich mich heute damit begnügen, das vorerst Unsichtbare in meiner Erinnerung zu behalten.
What is invisible?,
lautet die letzte Frage. Ich nehme sie und mein Champagnergläschen mit nach Hause.
Lea Dora Illmer ist Geschlechterforscherin, freie Autorin und Lektorin. Ihre Masterarbeit hat sie zur sogenannten Frauengesundheitsbewegung in der Schweiz geschrieben. Sie ist Mitbegründerin des Vereins FKK (Feministische Kulturkritik).
Vernetzungshinweis: Diese Woche ist die Art Basel wieder Zugange – eine Zeit, in der niemand so richtig dazugehört, aber viele dennoch so tun. Du bist das leid? Du bist Kunstschaffende und leistest Care-Arbeit? Du bist nicht allein!
[1] Dieser und weiteren Fragen gehe ich in einem nächsten Blogbeitrag nach.
Beitragsbild von Lea Dora Illmer. ©Privat.
Ein Gedanke zu „This is not an art guide“