Geschlechterforschung, Kunst, Politik

Kunst oder Care? Kunst und Care! Vereinbarkeit in der Kunst

Von Andrea Zimmermann.

Am 4. Juli veröffentlichte der Verband visarte die Studie «Kunstberuf und Familie». In der Medienmitteilung lesen wir als zentralen Befund, 

dass die wenigsten privaten und öffentlichen Kulturförderinstitutionen die Bedürfnisse kunstschaffender Eltern berücksichtigen. Kunstschaffende werden ab der Familiengründung im Fördersystem nicht mehr adäquat berücksichtigt. Sie haben dadurch geringere Karrierechancen und laufen Gefahr, aus strukturellen Gründen ihren Kunstberuf aufgeben zu müssen.

Fragen zum Thema «Vereinbarkeit» in der Kunst treiben uns derzeit um: Im Rahmen des feministischen Streiks vom 14. Juni hat sich das Kollektiv «kunst & care» bemerkbar gemacht. Dieses Anliegen wollen wir vorstellen bzw. stellt sich selbst vor. Gleichzeitig fand auf der Art Basel ein Roundtable zu «Welcoming parenthood in the art world» statt, zu dem wir Eindrücke teilen wollen. Doch was meint «Vereinbarkeit» überhaupt? 

Ein wichtiger Aspekt hierbei ist sicherlich die Vereinbarkeit von Familie und künstlerischem Beruf. Weiter gefasst betrifft das Thema all jene mit Sorgeverantwortung für andere. Doch letztlich geht es im Kontext von Kunst um die Frage, ob es im Leben einer kunstschaffenden Person überhaupt etwas anderes als Kunst geben kann. Die Vorstellung, eine Entscheidung für die Kunst käme einer Entscheidung für ein Leben ohne jede andere Leidenschaft oder Verpflichtung gleich, scheint nach wie vor weit verbreitet zu sein. Für die Kunst meint in diesem Sinne: gegen alles andere. Denn Kunstschaffen verlange alle Aufmerksamkeit, alle vorhandenen Ressourcen und alle Energie – nur so könne sich eine künstlerische Vision verwirklichen.

Wie in der Vorstudie «Geschlechterverhältnisse im Schweizer Kulturbetrieb» (Zimmermann et al. 2021) zu lesen war, ist Vereinbarkeit in vielfacher Weise eine Herausforderung für Kulturschaffende in allen Sparten. ‹Der Künstler› ist in der allgemeinen Vorstellung nach wie vor eine Figur, die sich nicht mit Aufgaben und Sorgeverpflichtungen jenseits des Kulturschaffens auseinandersetzen muss oder gar darf. Ein Effekt im Ringen mit der Figur des genialen Künstlers, so wurde deutlich, ist, dass Künstler*innen darum bemüht sind, solche Sorgetätigkeiten unsichtbar zu halten.

Es ist dementsprechend nicht nur die organisatorische Mehrarbeit, die geleistet wird und einer künstlerischen Karriere im Wege steht. Vielmehr wird jede Tätigkeit jenseits des Kulturschaffens als Ablenkung und Nachteil gesehen. Oder anders formuliert: Wer Künstler*in ist, muss vor sich selbst und vor anderen den Eindruck erwecken, ausschliesslich für die Kunst zu leben. Andernfalls droht dieses Bild der Künstler*in Schaden zu nehmen: künstlerische Qualität kann abgesprochen werden – in den verschiedenen Sparten auf unterschiedliche Weise, mit unterschiedlichen Rhetoriken. Dies führt tatsächlich auch zu aktiven Entscheidungen gegen Familie oder eben gegen die Kunst: entweder – oder.

Verstärkt wird diese Situation durch eine gesamtgesellschaftliche Einstellung, nach der die Kinderbetreuung und Sorge für andere noch immer in private Verantwortung delegiert wird. Betreuungsangebote sind kaum oder nicht vorhanden – gerade zu den Zeiten, in denen bspw. Musik und Theater stattfindet. Der Rückgriff auf private Netzwerke ist so für viele Künstler*innen die einzige Lösung, wenn sie das Kulturschaffen nicht aufgeben wollen.

Es ist also an der Zeit, diese Verhältnisse zu ändern und gerechter zu gestalten. Wir möchten daher einladen zum Dialog – hier auf dem Blog aber auch im Kontext einer Veranstaltung: 

Blogserie Kunst und Care
Workshop Curating Difference – different curating? am Kunstmuseum Basel

Du möchtest gerne deine Erfahrungen zum Thema Vereinbarkeit von Beruf(ung) und Sorgearbeit teilen? Schreib uns: info@theartofintervention.blog


Bild: Werkserie «Quasitutto» und «Bank V (Kodak» von Gina Folly, 2023.  «Gina Folly. Autofokus», Ausstellungsansicht im Kunstmuseum Basel | Gegenwart, 2023. Photo: Max Ehrengruber (Ausschnitt). ©Gina Folly

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